Jacob Burkhardt, Professor an der ETH Zürich 1855–1858
Schweiz

Vor 125 Jahren starb der Kulturhistoriker Jacob Burckhardt

Er prägte den Renaissance-Begriff, nicht nur seine Heimatstadt Basel verehrt ihn bis heute: Der Kulturhistoriker Jacob Burckhardt setzte Massstäbe in seinem Fach. Vor 125 Jahren starb der Italien-Experte.

Johannes Senk

Bis heute zählt Jacob Burckhardt zu den bekanntesten Schweizern. Der Basler Kulturhistoriker setzte Standards in seiner Disziplin; seine «Weltgeschichtlichen Betrachtungen», die aus seinem Nachlass geschaffen wurden, enthalten grundlegende Beobachtungen: zur Kulturgeschichte ebenso wie zur Gesellschaft seiner Zeit.

Vom Theologie- und Geschichtsstudium

Aus einem vornehmen und streng protestantischen Basler Elternhaus stammend, erhielt der am 25. Mai 1818 geborene Jacob eine umfassende humanistische Ausbildung. Auf Wunsch seines Vaters studierte er zunächst evangelische Theologie in Basel, wechselte aber nach wenigen Semestern an die Universität in Berlin, um sich seiner eigentlichen Leidenschaft zu widmen – Geschichte und Philologie.

In Berlin verkehrte er mit Intellektuellen und Literaten, die preussische Hauptstadt als solche empfand er jedoch als «öde». Dennoch war die Studienzeit in der Metropole entscheidend für die weitere Entwicklung des Gelehrten.

Kritik an Ausweisung der Jesuiten

Nach seiner Promotion in Basel betätigte er sich kurzzeitig als Redaktorr. Öffentliche Schelten, die er als Konservativer im politisch aufgeladenen Vormärz der 1848-Revolution bezog, etwa für seine Kritik an der Ausweisung der Jesuiten aus der Schweiz, führten zu einer Abkehr vom Journalismus.

Stattdessen ging er wieder in die Kulturwissenschaft, wurde habilitiert und erhielt 1858 den Lehrstuhl für Geschichte und Kunstgeschichte in Basel. Sein Schwerpunkt: die italienische Kulturgeschichte.

Augenmerk auf Renaissance

Der Basler Historiker Jacob Burckhardt hat das Renaissance-Verständnis geprägt.
Der Basler Historiker Jacob Burckhardt hat das Renaissance-Verständnis geprägt.
Ein besonderes Augenmerk legte er auf das ausgehende Mittelalter. Dass für diese Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts inzwischen allgemeingültig der Epochenbegriff Renaissance, also Wiedergeburt, verwendet wird, geht massgeblich auf Burckhardts 1860 erschienenes Hauptwerk «Die Kultur der Renaissance in Italien» zurück. Den Begriff Renaissance entlehnte er tatsächlich dem Werk des französischen Historikers Jules Michelet (1798-1874), der ihn als erster genutzt hatte.

Anhand von lateinischen und italienischen Quellen entwarf Burckhardt ein Bild des Menschen, der sich in dieser Periode als Individuum entfaltete, als «uomo universale» (Universalmensch), vielseitig gebildet, selbstbestimmt und nicht mehr den kirchlichen Dogmen verhaftet.

Auch mit einem weiteren Hauptwerk, der «Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens» oder einfach «Cicerone», widmete sich Burckhardt der italienischen Kunstgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart, wobei er auch hier wieder die Natur des Menschen als treibende Kraft in den Vordergrund rückte.

Kritik an Rolle der Weltreligionen

Religionen trugen laut Burckhardt zu diesem historischen Prozess bei, allerdings nicht unbedingt in positiver Weise: «Die Weltreligionen sind es, welche die grössten historischen Krisen herbeiführen. Sie wissen von Anfang an, dass sie Weltreligionen sind, und wollen es sein», heisst es in den «Weltgeschichtlichen Betrachtungen».

Nietzsche als Bewunderer

Burckhardts scharfsinnige Beobachtungen fanden schon zu seiner Zeit viele Bewunderer. Zu den bekanntesten – und mitunter glühendsten – zählte Friedrich Nietzsche (1844-1900), der in ihm «unseren grossen, grössten Lehrer» sah. Burckhardt hingegen begegnete seinem Fan zwar freundlich, hielt ihn aber stets auf höflicher Distanz.

Sorgenvoll blickte der Historiker auf die deutsche Annexion von Elsass-Lothringen nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Damit sei jederzeit «Kriegslärm, Mobilmachung und dergleichen disponibel», schrieb er in einem Brief an einen Freund – das bedeute «einen Belagerungszustand in Deutschland selbst».

Burckhardt starb vor 125 Jahren, am 8. August 1897 in seiner Heimatstadt. Seinem Wunsch entsprechend wurde er zunächst – im übertragenden Sinne – dort beigesetzt, wo er auch starb. In diesem Fall auf dem Wolfgottesacker im Osten der Stadt in einer einfachen Grabstätte.

Sarg verlegt

Als in den 1930er Jahren kurzzeitig die Aufhebung des Friedhofs im Gespräch war, wurde Burckhardts Sarg kurzerhand verlegt – ein Vorgang, der dem Kulturhistoriker selbst sehr zuwider gewesen wäre, wie aus seinen Aufzeichnungen hervorgeht. Seitdem hat der grosse Sohn der Stadt auf einem eigens für ihn eingerichteten «Ehrenhof» des Basler Zentralfriedhofs am Hörnli seine letzte Ruhestätte gefunden. (kna)


Jacob Burkhardt, Professor an der ETH Zürich 1855–1858 | © ETH-Bibl. Bildarchiv
8. August 2022 | 11:51
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