Pater Ludwig Ziegerer
Schweiz

Pater Ludwig von Mariastein: «Einen Papst hatten wir noch nie zu Besuch, aber immerhin einen Kardinal»

Die Kirche des Klosters Mariastein im Kanton Solothurn trägt seit rund 100 Jahren den Ehrentitel «basilica minor». Stark dafür engagiert hatte sich Willibald Beerli, der in den 1920er Jahren beim damaligen Nuntius in der Schweiz lobbyierte, erzählt Ludwig Ziegerer. Der Benediktiner ist seit 40 Jahren in der bedeutenden Marienwallfahrtsstätte zuhause. Ein Beitrag der Serie über «Basilicae minores» in der Schweiz.

Barbara Ludwig

Warum hat der Papst der Klosterkirche in Mariastein 1926 den Ehrentitel «Basilica minor» verliehen?

Pater Ludwig Ziegerer: 1926 wurde die Klosterkirche von Mariastein zu einer päpstlichen Basilica minor erhoben und gleichzeitig das Gnadenbild von Maria in der Felsenkapelle feierlich gekrönt. Das war eine Ehrung für den Wallfahrtsort, der gerade nach dem ersten Weltkrieg wieder rege besucht wurde im Dreiländereck Schweiz-Frankreich-Deutschland. Beide Ereignisse hatten einen erheblichen Einfluss auf die künftige Entwicklung der Wallfahrt nach Mariastein und machten diesen Ort noch weiter über die Grenzen der Region hinaus bekannt.

«Es war eine Zeit, in der man viel auf päpstliche Ehrentitel gab.»

Und warum genau zu diesem Zeitpunkt?

Ziegerer: Es war die Zeit der «Katholischen Aktion» (Laienbewegung der katholischen Kirche, d.Red.). Maria wurde über alles verehrt. Es war auch eine Zeit, in der man viel auf päpstliche Ehrentitel gab. Der Wallfahrtsleiter und Superior von Mariastein, Pater Willibald Beerli (1885-1955), hat im Vorfeld des Jahres 1926 vieles unternommen, um den Nuntius in der Schweiz, Erzbischof Luigi Maglione (1877-1944), später Kardinalstaatssekretär unter Pius XII., zu überzeugen, die Klosterkirche von Mariastein zu einer päpstlichen Basilica minor zu erheben und das Gnadenbild zu krönen.

Die "Gnadenmutter von Mariastein".
Die "Gnadenmutter von Mariastein".

Die Dokumente im Klosterarchiv, insbesondere die Korrespondenz, zeugen von einem Menschen, der sich in Sprache und Stil für seine Ideen einzusetzen wusste. Am 25. November 1925 verfasste Abt Augustinus Borer (1878-1958, Abt 1919-1937) eine in lateinischer Sprache geschriebene Bittschrift an den «Beatissime Pater», den Papst: «Um dieses Vertrauen und die Verehrung der allerseligsten Jungfrau Maria mehr und mehr zu steigern, bitten wir flehentlich Eure Heiligkeit, gütigst die feierliche Krönung des Gnadenbildes zu gestatten und der Kirche von Mariastein den Ehrentitel einer Basilica minor zu verleihen.» Diesem Wunsch wurde dann von den römischen Instanzen entsprochen.

«Volle Kirchenbänke stiften Gemeinschaft.»

Welche Aufgabe erfüllt die Kirche heute in Ihrer Region?

Ziegerer: Mariastein ist nach wie vor ein sehr beliebter Wallfahrts- und Gottesdienstort in der Region Nordwestschweiz, Elsass und Südbaden. Es finden hier regelmässig Eucharistiefeiern statt, am Werktag eine und an Sonn- und Feiertagen zwei. Viele Gläubige wissen das zu schätzen, weil die Messfeiern in den Pfarrkirchen seltener geworden sind. Insbesondere wird die sorgfältige musikalische Gestaltung der Gottesdienste geschätzt. Und vielleicht auch, dass man nicht nur mit vereinzelten Gläubigen in der Kirche sitzt. Volle Kirchenbänke stiften Gemeinschaft.

Vordere Front der Klosterkirche Mariastein.
Vordere Front der Klosterkirche Mariastein.

Wie viele Menschen kommen denn am Sonntag zum Gottesdienst in die Kirche?

Ziegerer: Das ist unterschiedlich, 300 bis 400 sicher, wenn grosse Wallfahrten kommen, zum Beispiel von den Migrationsgemeinden, sind es schnell einmal bedeutend mehr.

«Als Prunkstück gilt der Hochaltar vorne im Chor – ein Geschenk des Sonnenkönigs.»

Durch welche stilistische Eigenheit fällt diese Kirche auf? Oder durch welche andere Besonderheit?

Ziegerer: Die Kirche wurde schon zweimal einer grossen Restauration unterzogen, 1974 und 1999/2000. Man hat damals die neubarocke Ausgestaltung zum Leuchten gebracht. An der Decke sieht man die Ursprungslegende, das Kind, das beim Sturz über den hohen Felsen auf die Fürsprache von Maria wunderbar gerettet wurde. Dann sind am Obergaden (obere Wandfläche des Mittelschiffs einer Basilika, d. Red.) Szenen aus dem Leben unseres Mönchsvater Benedikt zu sehen. Mit den marianischen und den benediktinischen Motiven wurde anfangs des 20. Jahrhunderts ein stimmiges Bildprogramm geschaffen. Als Prunkstücke gelten der Hochaltar vorne im Chor – ein Geschenk von Louis XIV., dem Sonnenkönig –  und die auf den Hochalter abgestimmte barocke Kanzel aus dem Jahre 1733.

Klosteranlage Mariastein.
Klosteranlage Mariastein.

Was verbindet Sie persönlich mit dieser Kirche?

Ziegerer: Seit fast 40 Jahren lebe ich als Benediktiner hier. Täglich suchen wir Mönche die Kirche mehrmals zum Stundengebet auf. Hier feiere ich fast jeden Tag die Eucharistie, hier habe ich meine Klostergelübde abgelegt, die Priesterweihe empfangen und meine Primiz gefeiert.

Was gefällt Ihnen überhaupt nicht an der Kirche?

Ziegerer: Mir gefällt die Kirche wie sie ist. Freilich, für eine klösterliche Liturgie nach dem Zweiten Vatikanum ist manches etwas starr eingerichtet. Man würde heute eine Klosterkirche anders gestalten, vor allem Mönchschor und Altarraum müssten für verschiedene Gottesdienstformen flexibler sein.

Klosterkirche Mariastein, rechts im Vordergrund steht das Tintinnabulum. Die liturgische Glocke ist eines der Insignien von "Basilicae minores".
Klosterkirche Mariastein, rechts im Vordergrund steht das Tintinnabulum. Die liturgische Glocke ist eines der Insignien von "Basilicae minores".

Bekam die Kirche schon einmal Besuch von einem Papst? Welcher, wann?

Ziegerer: Nein, einen Papst hatten wir noch nie zu Besuch, aber immerhin einen Kardinal, der später Papst wurde: Albino Luciani als er noch Patriarch von Venedig war, also der spätere Papst Johannes Paul I., begleitete einmal die jährliche Wallfahrt der Missione cattolica aus Basel.

Das Interview wurde schriftlich geführt. Pater Ludwig Ziegerer ist Wallfahrtspater der Benediktinerabtei Mariastein.

«Basilica minor»: Zwölf Schweizer Kirchen haben den Titel

«Basilica minor» – kleine Basilika – ist ein Ehrentitel für eine Kirche, der seit dem 19. Jahrhundert an bestimmte Kirchen verliehen wird. Von diesen kleinen Basiliken unterscheiden sich die «basilicae majores». Bekannt sind vor allem die grossen Basiliken in Rom: die Erzbasilika Sankt Johannes in Lateran, Sankt Paul vor den Mauern, Santa Maria Maggiore und der Petersdom. In der Schweiz gibt es zwölf kleine Basiliken. Bei den meisten davon handelt es sich um Wallfahrts- und Zentrumskirchen, nicht zuletzt in ehemals reformierten Kantonen.

Der Titel «basilica minor» wird vom Papst verliehen, um eine bedeutende Kirche zu ehren. Sei es aus historischen Gründen oder aus pastoralen Gründen, zum Beispiel um ein Glaubenszentrum zu fördern. Der Ehrentitel soll auch die enge Verbindung zum Papst betonen. Nach der Verleihung des Titels können die Kirchen und Fahnen einer basilica minor die gekreuzten Schlüssel des Papstwappens tragen. Früher übliche Insignien wie der gelb-rote Seidenschirm (Padiglione) und eine liturgische Glocke (Tintinnabulum) sind heute nicht mehr obligatorisch.

Die zwölf kleinen Basiliken in der Schweiz sind: Wallfahrtskirche Madonna del Sasso oberhalb von Locarno, Pfarrkirche Sacro Cuore in Lugano, Klosterkirche Mariastein in Metzerlen SO, Notre-Dame in Freiburg, Klosterkirche der Abtei Saint-Maurice VS, Dreifaltigkeitskirche in Bern, Notre-Dame in Genf, Notre-Dame du Valentin in Lausanne, ehemalige Klosterkirche St. Ulrich und St. Afra in Kreuzlingen TG, Notre-Dame de l’Asomption in Neuenburg, Notre-Dame de Valère in Sitten, Santa Maria dei miracoli in Morbio inferiore. (bal)

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Pater Ludwig Ziegerer | © Vera Rüttimann
14. Juli 2024 | 14:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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