Transparente der "Allianz Gleichwürdig Katholisch" bei der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln. Im roten Outfit: Katharina Jost.
Schweiz

Frauen, LGBTQ, Geschiedene: Schweizer Katholiken wünschen sich Reformen in der Kirche

Mehr Synodalität wagen – und keine Diskriminierung von Frauen, Geschiedenen und queeren Menschen: Diese Botschaft sendet die Schweizer Kirche nach Rom.

Raphael Rauch

Wer knallharte Forderungen erwartet, dürfte beim Lesen des Schweizer Schlussberichts enttäuscht sein. Der Ton ist sachlich, die Wünsche sind wohldosiert. Das passt zur Schweizer Tonalität, wo die Menschen weniger forsch kommunizieren wie im grossen Kanton Deutschland. 

Laien dürfen Gemeinden leiten, Kinder taufen, Paare trauen

Bereits im Vorfeld hatte der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, Felix Gmür, darum gebeten, auf das Wort «Forderungen» zu verzichten – denn darauf reagiere Rom allergisch. Keine Forderungen, dafür aber viele Wünsche und Anregungen gehen nun von Rhein und Rhone nach Rom.

Dorothee Becker leitet eine Kommunionfeier in der Kirche St. Franziskus, Riehen.
Dorothee Becker leitet eine Kommunionfeier in der Kirche St. Franziskus, Riehen.

In manchen Bistümern ist die Schweiz schon seit Jahrzehnten weltweit Pionierin – wenn es etwa darum geht, dass auch Laiinnen und Laien Gemeinden leiten, Kinder taufen und Paare trauen dürfen.

Fortschrittliche Deutschschweiz

An diese Erfahrungen möchten die Schweizer Katholikinnen und Katholiken anknüpfen und vorwärts machen. Der Schweizer Schlussbericht wünscht sich eine synodale Kirche, die «die königliche, priesterliche und prophetische Würde und Berufung» der Getauften anerkennt. Will heissen: auf die Taufe kommt es an. Und: Auch Frauen, Geschiedene und queere Menschen sollen geweiht werden können.

In der französisch- und italienischgeprägten Schweiz – hier Lugano – ist der Klerikalismus noch stärker verbreitet.
In der französisch- und italienischgeprägten Schweiz – hier Lugano – ist der Klerikalismus noch stärker verbreitet.

Die Schweiz besteht aus vier Landesteilen mit eigenen Sprachen: deutsch, französisch, italienisch und rätoromanisch. Jeder Landesteil bringt eine eigene kirchliche Färbung mit. Während die Deutschschweiz als relativ progressiv gilt, ist die Westschweiz französisch geprägt und das Tessin italienisch. Die Partizipation von Laiinnen und Laien ist hier weniger verbreitet.

Kritik am Klerikalismus

Doch das soll sich ändern. Der Schweizer Schlussbericht hebt zwei Punkte hervor. Zum einen dürften Menschen nicht mehr ausgeschlossen werden – etwa Frauen, Geschiedene und queere Menschen. 

Die Synode im Barocksaal des Klosters Einsiedeln
Die Synode im Barocksaal des Klosters Einsiedeln

Zum anderen kritisiert der Schlussbericht den «teilweise noch vorhandenen Klerikalismus». Dabei könne Synodalität nur gelingen, «wenn der Klerikalismus überwunden wird und sich zunehmend ein Verständnis des Priesteramtes als ein Element entwickelt, das das Leben einer stärker synodal ausgerichteten Kirche fördert».

«Wir sind Ohr»-Plakate an Schweizer Bahnhöfen

Der Schlussbericht ist das Ergebnis monatelanger Arbeit. So vielfältig die Schweiz ist, so verschieden haben die Bistümer den synodalen Prozess gestaltet. Der Bischof von Basel, der zugleich Präsident der Schweizer Bischofskonferenz ist, setzte mit einer breit angelegten Kampagne die Messlatte hoch. 

Synodaler Prozess: Der Basler Bischof Felix Gmür bei der Eröffnung der Kampagne "Wir sind Ohr".
Synodaler Prozess: Der Basler Bischof Felix Gmür bei der Eröffnung der Kampagne "Wir sind Ohr".

«Wir sind Ohr» war an Schweizer Bahnhöfen auf Plakaten zu lesen. Die Fotomontage zeigte Papst Franziskus und den Basler Bischof Felix Gmür, wie sie sich beide ans Ohr fassen und sich ums Zuhören bemühen. 

77 Prozent finden: Die Kirche schliesst Frauen aus

Die Gläubigen sollten sich in Fünfergruppen zusammentun und 27 Fragen beantworten. Die Ergebnisse der drei deutschsprachigen Bistümer fielen klar und deutlich aus. 77 Prozent der synodalen Gruppen im Bistum Basel fanden, die Kirche schliesse Frauen aus. Auf queere Menschen fielen 64 Prozent und auf Geschiedene 61 Prozent. 

RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger an der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln.
RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger an der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln.

Die anderen Bistümer wählten eigene Wege und setzten vor allem auf Dialoggruppen in den Pfarreien. Doch auch hier kamen ähnliche Ergebnisse heraus.

Kein Synodaler Weg in der Schweiz

Vertreterinnen und Vertreter aus den einzelnen Diözesen und den Landeskirchen haben Ende Mai am Marienwallfahrtsort Einsiedeln die Ergebnisse diskutiert. Daraus ist nun der Abschlussbericht entstanden.

Gruppenarbeit an der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln – hier mit Bischof Felix Gmür.
Gruppenarbeit an der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln – hier mit Bischof Felix Gmür.

Mit grossem Interesse verfolgt die Schweiz, wie sich der Synodale Weg in Deutschland entwickelt. Die Schweizerinnen und Schweizer teilen viele Reformanliegen des Synodalen Wegs. Viele hätten es begrüsst, wenn sich auch die Schweizer Bischöfe auf ein ähnlich ambitioniertes Reformprojekt eingelassen hätten.

Nur wenige haben beim synodalen Prozess mitgemacht

Zum Schweizer Understatement gehört es auch, klar zu machen, wie gering das Interesse am synodalen Prozess war: Die Teilnahme an den synodalen Gesprächen sei durch Menschen geprägt gewesen, «die kirchennah und zum Beispiel in Pfarreien engagiert sind», hält der Schlussbericht fest. «Die Haltungen und Einstellungen der vielen kirchendistanzierten Kirchenzugehörigen wurden kaum erfasst.» Oder in Zahlen: weniger als ein Prozent aller Katholikinnen und Katholiken. 

Synodaler Prozess: Bischof Felix Gmür und RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger nehmen Ergänzungswünsche für den Schlussbericht entgegen.
Synodaler Prozess: Bischof Felix Gmür und RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger nehmen Ergänzungswünsche für den Schlussbericht entgegen.

Bis Mariä Himmelfahrt (15. August) sollten die Bischofskonferenzen ihre Synthesen nach Rom weiterleiten. Zusammen mit weiteren Eingaben aus aller Welt bilden sie die Grundlage für die Bischofssynode, die im Oktober 2023 in Rom stattfindet.

Dann zeigt sich auch, ob sich Bischof Felix Gmürs Taktik auszahlt: auf Forderungen zu verzichten – dafür am Ende aber mehr Wünsche erfüllt bekommen.


Transparente der «Allianz Gleichwürdig Katholisch» bei der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln. Im roten Outfit: Katharina Jost. | © Christian Merz
16. August 2022 | 13:16
Lesezeit: ca. 3 Min.
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